Trotz Vorrang für alternative Pflegeformen: Bis 2030 werden sich die Kosten für die Länder mehr als verdoppeln. „Ohne die Millionen aus dem Pflegefonds schaffen wir das gar nicht mehr“. Von Andrea Bergmann

Eigentlich ist es ein Fall für die Intensivstation, was die Experten des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) befundet haben: Weil die Bevölkerung in Österreich immer älter und damit pflegebedürftiger wird, steigen die Kosten der Öffentlichkeit für Pflege bis zum Jahr 2030 um mehr als das Doppelte an. Je nach Bundesland beträgt das eklatante Plus 112 Prozent (Burgenland) bis 159 Prozent (Vorarlberg). Für die Steiermark und Kärnten werden eine Zunahme von 114 Prozent diagnostiziert. Länder und Gemeinden, die bei den Sozialkosten kräftig mitzahlen, haben im Jahr 2012 laut Wifo 1,67 Milliarden Euro für Pflege aufgewendet. Gesamt betrugen die Pflegekosten 2012 laut Sozialministerium 4,3 Milliarden Euro. Tendenz stark steigend. Weil laut Statistik Austria die Zahl der 75-jährigen Menschen in Österreich bis 2030 von derzeit 662.000 auf über eine Million steigen wird. In 20 Jahren wird jeder neunte Österreicher seinen 75er gefeiert haben.

Neue Pflegeangebote

Für die Bundes- wie Landespolitiker sind die Zahlen des Wifo „eigentlich nichts Neues“, wie es etwa aus dem Sozialministerium mit einer kräftigen Portion Gelassenheit heißt. Prognosen der letzten Jahre hätten stets die gleiche Stoßrichtung gehabt . Von Kostenexplosion will man nicht reden. Man reagiere ja bereits vielfältig. Der Bund helfe den Ländern und Gemeinden seit 2011 mit dem Pflegefonds, damit sie die steigenden Pflegekosten leichter tragen können, betont die Sprecherin von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Dabei würden vor allem mobile Pflege, betreutes Wohnen, Tagesstätten forciert. Für die Jahre 2015 und 2016 fließen via Pflegefonds gesamt 650 Millionen Euro.

Die Wifo-Experten begrüßen die vermehrten Angebote im Vorfeld des Pflegeheimes, stellen allerdings auch klar: „Personen, die mobile Dienste in Anspruch nehmen, weisen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für die spätere Aufnahme in ein Pflegeheim dar.“ Der Zusammenhang ist naheliegend und der Trend eindeutige: Betroffene wollen so lange wie möglich zu Hause betreut werden, nehmen zunehmend auch 24-Stunden-Pflege in Anspruch, und kommen oft später, dann aber mit hohem Pflegebedarf ins Heim. „Der Anstieg stationärer Pflegeplätze soll verzögert werden“, heißt es von Wifo-Seite. Wobei: „Das Potenzial zur Verlagerung aus dem stationären Bereich zu mobilen und alternativen Pflegeformen beträgt rund zehn Prozent.“ Verbessert werden müssten jedenfalls die Informationen, damit die Betroffenen die für sie richtige Pflegeform erhalten.

Attraktivere Jobs

Verbessert werden müssten auch die Gehälter und Bedingungen für die 27.000 Arbeitskräfte in Pflegeheimen und 15.000 (Teilzeit-)Kräfte in den mobilen Diensten, fordern die Gewerkschaft Vida und Arbeiterkammer. 90 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.

Geht es um die Finanzierung der Pflege, hängen die Länder quasi am Tropf des Bundes. „Ohne die Millionen aus dem Pflegefonds schaffen wir das gar nicht mehr“, bekunden die Sozialreferenten. Bis 2017 sind die Fondsmittel zugesagt. Dann muss im Rahmen des Finanzausgleichs neu verhandelt werden. Gespräche mit Hundstorfer sind aber schon jetzt im Herbst anberaumt. Auftakt könnte am Montag sein. Da gibt es im Parlament eine Pflegeenquete und alle namhaften Proponenten sind mit dabei.

 

Quelle: Kleine Zeitung, 18.9.2014

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